Prignitzer Kleinbahnmuseum Lindenberg e.V.

Brandenburgs einzigartige Schmalspurbahn

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Zeitgeschichte

"Hilfszug, bitte kommen!" 99 4644 auf der Insel Rügen

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Der Einsatznachweis für Arzt-, Gerätewagen, Schneeräumer usw.

Die Deutsche Reichsbahn führte über jeden Einsatz derartiger Fahrzeuge bzw. Züge Buch. In diesem Buch wurden alle den Einsatz betreffenden wesentlichen Fakten eingetragen. Neben dem Datum wurde der Heimatbahnhof des eingesetzten Gerätewagens usw. (in unserem Fall meist Hilfszug oder LKW), der Einsatzort / Einsatzstelle (Streckenkilometer oder Betriebsstelle), die Unterscheidung dringlich / nicht dringlich, die Einsatzzeit (gegliedert in Anforderung des Hilfszuges, Abfahrt, Arbeitsbeendigung und Rückkunft) und der Anlass des Einsatzes (Kurzbeschreibung des Ereignisses) eingetragen. Gerade letztere Spalte soll uns im Folgenden besonders interessieren.

Kurz vor dem Fest lag die Kopie des Einsatznachweises bei mir auf dem Gabentisch. Der Kollege hatte Wort gehalten und das gesamte Buch kopiert. Es wurde vom 10. Oktober 1959 bis 30. Mai 1973 geführt.
Die Eintragungen nahm der Leiter des Hilfszuges vor, der die technische Leitung vor Ort hatte, nicht aber der Leiter der Unfallstelle war. Das war im Allgemeinen der diensthabende Leiter des zuständigen Bahnhofs oder sein Vertreter.
Unser Buch wurde überwiegend vom letzten Leiter des Bw Putbus Mehrfort geführt, der auch dem Hilfszug in den meisten Fällen vorstand und später durch Jochen Warsow als Einsatzstellenleiter und Hilfszugleiter abgelöst wurde. Herr Mehrfort hatte leider die Angewohnheit, meist in Sütterlin zu schreiben, blöderweise aber unregelmäßig gemischt mit lateinisch geschriebenen Passagen, was die Lesbarkeit nicht gerade fördert.
So konnte ich auch mit Hilfe meiner Eltern, die Sütterlin noch problemlos beherrschen, nicht jedes Wort (manchmal auch abgekürzt oder irgendwie verschmiert) entziffern. Ich zitiere im Folgenden fast alles wörtlich. Geschlussfolgerte Wörter werde ich aber kursiv hervorheben.

In vielen Fällen wird auch der verantwortliche Dienstzweig benannt. Das waren im Allgemeinen die Verwaltung Maschinenwirtschaft (M), Wagenwirtschaft (W), Anlagen (A) oder Betriebs- und Verkehrsdienst (B&V) als interne oder diverse externe Verursacher.

99 4644 auf Rügen

Ich habe mich in Vorbereitung dieses Beitrages auch noch einmal ausführlich mit Jochen Warsow über die Ereignisse um die Lok unterhalten und nochmals interessante Informationen erhalten, die kombiniert mit den aufgeschriebenen Fakten und Bildbeweisen ein recht vollständiges, aber nicht das vollständige Bild ergeben.

99 4644 erhielt vor ihrer Ankunft auf Rügen eine L 3 im Raw Görlitz (Zwischenuntersuchung, entsprechend der späteren L 6), die mit Datum 20.3.67 an der Pufferbohle angeschrieben war. Der folgende Einsatz auf Rügen ist daher immer im Hinblick auf diese umfangreiche Untersuchung als Erprobung unter den neuen Einsatzbedingungen abgerechnet worden. Diese Erprobung wurde, anders als üblich, nicht beendet, weil die Lok fortwährend Probleme bereitete und das Raw damit immer im Gewährleistungs- und Nachbesserungsanspruch blieb.

Die Geschehnisse um 99 4644, die wir im Anschluss genauer betrachten, waren für die DR nicht ohne Brisanz, weil man noch 3 Jahre zuvor im Rahmen der GR große Summen in die Lok investiert hatte.

Ob 99 4644 direkt ab Raw nach Putbus kam, dort sofort Probe gefahren wurde und in Betrieb genommen wurde, oder ob es nach der Abnahme noch eine längere Einsatzpause gab, ist schriftlich nicht überliefert, oder zumindest bisher noch nicht entdeckt worden. Aber auch daran wird noch geforscht. Aber ein Datum als möglicher Inbetriebnahmetag tauchte kürzlich auf (unabhängig vom Hilfszugbuch). Das war der 18. April 1967 und gerade dieses Datum soll uns gleich beschäftigen.

Jochen Warsow merkte an, die Lok wäre immer mal wieder gefahren, aber nie heil angekommen. Aber gerade diese Pauschalaussage kann man nicht ganz unkommentiert lassen. Mindestens eine Zugfahrt muss sie heil überstanden haben, denn der von H. J. Fredberg im Zusammenhang mit seinen Fotos angegebene 13.6.1967 taucht im Hilfszugbuch nicht auf, wenn die Fotos tatsächlich an diesem Tag entstanden sind.

Schlagen wir also unseren Einsatznachweis auf und suchen nach 99 4644. Ich lade Euch ein.

99 4644 als Einsatzobjekt für die Hilfszugmannschaft

Eine besondere Überraschung erwartet uns nicht, denn 99 4644 lässt uns auf den Seiten des Jahres 1967 nicht lange auf sich warten. Zur besseren Übersichtlichkeit füge ich zwischen die einzelnen Ereignisse einen waagerechten Balken ein und nummeriere die Einträge chronologisch.


1) 18. April 1967 (der mutmaßliche Inbetriebnahmetag)
Strecke Putbus - Göhren, 99 4801 dampft gegen 19.45 Uhr mit Lokführer L. und Heizer M. und dem Hilfszug am Haken zum ersten Einsatz mit 99 4644.
Ereignisort ist der km 48.450, direkt am Hp. Jagdschloß. Angefordert wird der Hilfszug um 18.40 Uhr und fährt 19.45 Uhr in Putbus ab. Die Arbeit ist um 21.00 Uhr beendet und der Hilfszug kehrt um 23. 00 Uhr (offenbar mit stark verminderter Geschwindigkeit und mit 99 4644 im Zugverband) zurück. Die nüchterne Erläuterung liest sich so:

"99 4644 bei Zug PmG 1263 im km 48.450 in Fahrtrichtung mit der 1. Achse entgleist. ( schlechter Oberbau )" [Fahrtrichtung Putbus - Göhren]

Damit ist eigentlich alles gesagt! Derartige Unfälle mit verschiedensten Loks und Wagen, aber immer der Ursache "Oberbaumängel" ziehen sich im Übrigen wie ein roter Faden durch das gesamte Einsatzbuch. Das Streckennetz der ehemaligen Rü.K.B. war in einem erschreckenden Zustand.


2) 8. Juni 1967
Strecke Altefähr - Putbus km 14,5 (zwischen Zeiten und Neparmitz), Personal: Lokführer. N, Heizer F.
Diesmal und noch so oft rückt die Hilfszugmannschaft mit dem LKW des Bw Putbus aus zur Hilfeleistung. Das liest sich so:

"99 4644 bei GmP 9246 [Fahrtrichtung Putbus -> Altefähr] mit einer Achse entgleist. Grund: Auf dem Bf. Renz war durch Unebenheit in der Gleislage von L die 2. Federspannschraube ausgehakt.
Lokführer N. hat zwischen Achslager und Rahmen einen Holzkeil geschlagen und die Fahrt fortgesetzt. Lok dann aber in km 14,5 (Kurve) wegen ungleichmäßiger Belastung entgleist."

Dazu seien einige Erklärungen erlaubt.
99 4644 besitzt einen Außenrahmen mit über den Achslagern angeordneten Blattfedern. Jeweils zwischen 1. und 2., sowie 3. und 4. Achse sind diese Federn durch Ausgleichhebel verbunden, die ungefähr in Höhe der Achslager angeordnet sind. Ausgleichhebel und die festen Lagerböcke am Rahmen sind durch lange Federspannschrauben mit den Federn verbunden, mit denen sowohl die Last übertragen wird, aber die logischerweise auch zum Einstellen der Federspannung dienen. Diese Federspannschrauben sind in die außen geschlitzten Blattfedern nur eingehängt und lassen sich nach Anheben der Lok und damit Entlastung der Feder leicht seitlich aushängen und seitlich wegklappen. Dieser Effekt tritt ungewollt natürlich auch ein, wenn die Lok eine Unebenheit des Gleises befährt und dabei so stark ins Schwanken gerät, dass Federn entlastet werden.
Damit die Lok nicht sofort entgleist und die Achse überhaupt noch auf der Schiene angedrückt wird, hatte der Lokführer zwischen Achslager und Rahmen den erwähnten Keil geschlagen, denn ein Anheben der Lok und Einhängen der Federspannschraube war natürlich unterwegs ohne Winden nicht möglich.

Auch wenn dieser Unfall offiziell der Verwaltung Maschinenwirtschaft angelastet wurde, liegt die Ursache (Gleisunebenheit) doch bei der Verwaltung Anlagen.


3) 14. Juni 1967 (einen Tag nach H. J. Fredbergs Fotos)
Strecke Altefähr - Putbus km 3,6 (zwischen Altefähr und Nesebanz), diesmal verkehrt wieder ein Hilfszug mit 99 587, Lokführer R. und Heizer B. fahren nach Anforderung um 18.13 Uhr um 19.15 Uhr in Putbus ab. Die Arbeit an der Unfallstelle ist schon um 23.30 Uhr beendet, der Hilfszug kehrt um 2.37 Uhr zurück.

"Lok 99 4644 Personal N. / F. beim Zug 9246 im km 3,6 mit 3 Achsen entgleist.
Unfallursache konnte nicht geklärt werden. Unfallbereitschaft Rba [Reichsbahnamt] xxxxx [unleserlich] will Rbd [Reichsbahndirektion] anrufen."


4) 4. Oktober 1967
Strecke Bergen - Wittower Fähre km 3,3, ein Hilfszug verkehrt nicht. Die Mannschaft kommt mit dem LKW.

"99 4644 - L. - F. P 843 [Bergen - Wittower Fähre], Achsen: 16 - 53 t
Bremsp.: 34 im km 3,3 (xxxxkurve) [unleserlich] um 13.57 Uhr mit 2 Achsen (3 + 4) entgleist. (Rückwärtsfahrt)"

Es ist kein Verantwortlicher angegeben.


5) 5. Oktober 1967
Strecke Bergen - Wittower Fähre km 1,3, Lkw mit Hilfszugbereitschaft Bw Stralsund!

"99 4644 - L. - F. mit 1 Achse entgleist (Rückwärtsfahrt)."


Das ist noch längst nicht alles, aber hier reißen die Aufschreibungen um 99 4644 vorerst ab.

Letzte Änderung: 19.10.2023 07:50 Uhr

Geschichte

Die gesamte Geschichte der Bahn hier aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Darum sollen hier auch nur einige Eckpunkte erwähnt sein.

Vereinsfahrzeuge

Als Ost- und Westprignitzer Kreiskleinbahnen hat die Schmalspurbahn in der Prignitz ihre Fahrzeuge speziell nach ihren Bedürfnissen angeschafft. Genau diese besonderen und oft einmaligen Lokomotiven oder Wagen wollen wir Ihnen auf unserer Museumsbahn vorstellen. Wir haben hier einige Steckbriefe unserer Vereinsfahrzeuge zusammengestellt.

Prignitzer Fahrzeuge

Dampflokomotiven

Während des Bestehens der Schmalspurbahn waren bis zur Einstellung 24 verschiedene Dampfloks auf dem Netz unterwegs.


Triebwagen

1939 wurden zwei Triebwagen angeschafft. Mit ihnen sollte sich der Betrieb effektiver gestalten.


Personenwagen

Ursprünglich spielte der Personenverkehr nur eine untergeordnete Rolle. Das spiegelt sich auch darin wider, dass es während der ersten 50 Jahren nur 14 Personenwagen gab. Erst nach dem 2. Weltkrieg kam dem Personenverkehr wieder eine etwas größere Bedeutung zu.


Güterwagen

Der Güterverkehr stellte den Schwerpunkt dar. Über 200 Güterwagen verschiedener Gattungen wurden angeschafft. Dazu kamen in der Anfangszeit Rollböcke und später diverse Rollwagen zum Transport von normalspurigen Güterwagen.

Mit freundlicher Unterstützung von:

ODEG
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RegioInfra Nordost
Stadt Pritzwalk
Gemeinde Groß Pankow